Geht hin, ihr gläubigen Gedanken

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Johann G. Herrmann, 1707-1791

Geht hin, ihr gläubigen Gedanken,
Ins weite Feld der Ewigkeit,
Erhebt euch über all Schranken
Der alten und der neuen Zeit,
Erwägt, daß Gott die Liebe sei,
Die ewig alt und ewig neu.

2. Der Grund der Welt war nicht geleget,
Der Himmel war noch nicht gemacht,
So hat gott schon den Trieb geheget,
Der mir das Beste zugedacht;
Da ich noch nicht geschaffen war,
Da reicht er mir schon Gnade dar.

3. Sein Ratschluß war, ich sollte leben
Durch seinen eingebornen Sohn,
Den wollt er mir zum Mittler geben,
Den macht er mir zum Gnadenthron,
In dessen Blute sollt ich rein,
Geheiliget und selig sein.

4. O Wunderliebe, die mich wählte
Vor allem Anbeginn der Welt
Und mich zu ihren Kindern zählte,
Für welche sie das Reich bestellt!
O Vaterhand, o Gnadentrieb,
Der mich ins Buch des Lebens schrieb!

5. Wei wohl ist mir, wenn mein Gemüte
Hinauf zu dieser Quelle steigt,
Von welcher sich ein Strom der Güte
Zu mir durch alle Zeiten neigt,
Daß jeder Tag sein Zeugnis giebt:
Gott hat mich je und je geliebt.

6. Wer bin ich unter Millionen
Der Kreaturen seiner Macht,
Die in der Höh und Tiefe wohnen,
Daß er mich bis hieher gebracht!
Ich bin ja nur ein dürres Blatt,
Ein Staub, der keine Stätte hat.

7. Ja freilich bin ich zu geringe
Der herzlichen Barmherzigkeit,
Womit, o Schöpfer aller Dinge,
Mich deine Liebe stets erfreut;
Ich bin, o Vater, selbst nicht mein,
Dein bin ich, Herr, und bleibe dein.

8. Im sichern Schatten deiner Flügel
Sind ich die ungestörte Ruh.
Der feste Grund hat dieses Siegel,
Wer dein ist, Herr, den kennest du.
Laß Erd und Himmel untergehn,
Dies Wort der Wahrheit bleibet stehn.

9. Wenn in dem Kampfe schwerer Leiden
Der Seele Mut und Kraft gebricht,
So salbest du mein Haupt mit Freuden,
So tröstet mich dein Angesicht;
Da spür ich deines Geistes Kraft,
Die in der Schwachheit alles schafft.

10. Du lässest auch vom Gut der Erden
Mir, was du willt, nach deinem Sinn,
Jedoch weit mehr zu teile werden,
Als ich im kleinsten würdig bin,
Mein Herz zerfleußt, wenn es bedenkt,
Wie treulich mich dein Auge lenkt.

11. Die Hoffnung schauet in die Ferne
Durch alle Schatten dieser Zeit,
Der Glaube schwingt sich durch die Sterne
Und sieht ins Reich der Ewigkeit,
Da zeigt mir deine milde Hand
Mein Erbteil und gelobtes Land.

12. O sollt ich dich nicht ewig lieben,
Der du mich unaufhörlich liebst?
Sollt ich mit Andank dich betrüben,
Da du mir Fried und Freude giebst?
Verließ ich dich, o Menschenfreund,
So wär ich selbst mein ärgster Feind.

13. Ach könnt ich dich nur besser ehren,
Welch edles Loblied stimmt ich an!
Es sollten Erd und Himmel hören,
Was du, mein Gott, an mir gethan;
Nichts ist so köstlich, nichts so schön
Als, höchster Vater, dich erhöhn.

14. Doch nur Geduld. Es kommt die Stunde,
Da mein durch dich erlöster Geist
Im höchsten Chor mit frohem Munde
Dich, schönste Liebe, schöner preist;
Drum eilt mein Herz aus dieser Zeit
Und sehnt sich nach der Ewigkeit.

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